Gewässer- und Auenentwicklung im urbanen Raum am Beispiel des Emscher-Umbaus

Der Umbau des sehr urbanen Flusssystems der Emscher (NRW) besteht aus vielen einzelnen, technisch hochkomplexen und anspruchsvollen ökologischen Verbesserungsmaßnahmen. Vor dem Hintergrund vieler Restriktionen und dem allgegenwärtigen Platzmangel, müssen innovative Methoden für eine ökologisch funktionsfähige Fließgewässer- und Auenentwicklung im urbanen Raum angewandt werden. Hierfür wurde ein ökologisches Konzept zur Renaturierung der Emscher erstellt, das Anwendungsmöglichkeiten zur Strukturverbesserung und Förderung eigendynamischer Entwicklung enthält. Dazu zählen Gewässeraufweitungen, Ökologische Schwerpunkte, Bachmündungsauen, Siedlungswasserauen und Instream-River-Training-Maßnahmen. Diese werden in diesem Artikel am Beispiel des Emscher-Umbaus beschrieben und deren Anwendungen beispielhaft erklärt.

Die Emscher ist ein rechtsseitiger Nebenfluss des Rheins und fließt ihm zwischen den Einzugsgebieten von Ruhr und Lippe zu. Sie entspringt in Dortmund-Holzwickede und durchläuft in westlicher Richtung das dicht besiedelte und stark urban geprägte Ruhrgebiet. Das Einzugsbiet der Emscher hat eine Größe von 865 km². Nach einer Fließstrecke von 85 km mündet die Emscher bei Dinslaken in den Rhein.

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war die Emscher ein kleiner, träge mäandrierender, sandgeprägter Tieflandfluss. Das direkte Gewässerumfeld war eine Sumpf- und Bruchlandschaft, in der sie durch Überschwemmungen ständig ihr Bett veränderte. Besonders nach Regenzeiten war ein breiter Auenstreifen überschwemmt. Landwirtschaftliche Nutzung war darin kaum möglich, weshalb die Aue der natürlichen Sukzession unterlag.

Ab 1850 begann der Steinkohle-Bergbau in der Emscher-Region. Dies führte zu einer erheblichen Zunahme der Bevölkerungsdichte. Von 1890 auf 1900 gab es einen Sprung von ca. 0,6 auf ca. 1,5 Mio. Einwohner im Emscher-Gebiet, die sich bis heute auf ca. 2,4 Mio. eingependelt haben. Zudem hatten die Abwässer der neu entstehenden Industrieregion verheerende Auswirkungen auf die Wasserqualität der Emscher. Bergsenkungen als Folge des unterirdischen Abbaus der Steinkohle verhinderten den Wasserabfluss im Gewässersystem, weshalb es zu immer größeren und länger anhaltenden Überschwemmungen kam. Die starke Verschmutzung des Wassers in Kombination mit den häufigen Überflutungen führte zu Malaria-, Typhus- und Cholera-Epidemien.

Aufgrund dieser dramatisch schlechten (Vorflut-) Situation der Emscher und auch vieler ihrer Nebengewässer wurde 1899 die Emschergenossenschaft mit dem Ziel gegründet, den ordnungsgemäßen Abfluss der Emscher und ihrer Nebengewässer zu gewährleisten. Als Folge dessen entstand ein Netz von ca. 350 km technisch ausgebauten, oberirdisch verlaufenden Schmutzwasserläufen in Betonschalen, die ökologisch tot waren (Bild 1).



Copyright: © Springer Vieweg | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
Quelle: Wasserwirtschaft - Heft 11 (November 2019)
Seiten: 6
Preis: € 10,90
Autor: Dr. Caroline Winking
Dipl.-Ing. Mechthild Semrau
Dr. Mario Sommerhäuser
 
 Diesen Fachartikel kaufen...
(nach Kauf erscheint Ihr Warenkorb oben links)
 Artikel weiterempfehlen
 Artikel nach Login kommentieren


Login

ASK - Unser Kooperationspartner
 
 


Unsere content-Partner
zum aktuellen Verzeichnis



Unsere 3 aktuellsten Fachartikel

Talsperren - Essenziell fuer die Minderung der Klimawandelfolgen
© Springer Vieweg | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (10/2025)
Die Bedeutung von Talsperren und Wasserspeichern wird in diesem Beitrag im Kontext des Klimawandels und der steigenden globalen Wassernachfrage betrachtet. Die Diskrepanz zwischen Wassernachfrage und verfügbarer Speicherkapazität wächst aufgrund von Klimawandel, Bevölkerungswachstum und Rückgang der Süßwasservorräte. Viele große Talsperren weltweit sind über 50 Jahre alt, was zum Teil Bedenken hinsichtlich ihrer Standsicherheit und Verlandung des Stauseevolumens aufwirft. Die Verlandung ist ein weltweit zunehmendes Problem. Ohne nachhaltige Maßnahmen werden bis 2050 viele Stauseen im Mittel bis zu 50 % verlandet sein. Eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung und Maßnahmen zur Minderung der Stauraumverlandung angesichts eines wachsenden globalen Wasserspeicherbedarfs sind unabdingbar.

Ressourcenorientierte Sanitärsysteme für nachhaltiges Wassermanagement
© Springer Vieweg | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (10/2025)
Abwassersysteme stehen infolge des Klimawandels und der Ressourcenknappheit vor Herausforderungen. Ressourcenorientierte Sanitärsysteme (NASS) ermöglichen durch eine getrennte Erfassung einzelner Abwasserteilströme (z. B. Grauwasser, Urin) eine gezielte Behandlung und Ressourcenrückgewinnung vor Ort. Zudem können sie bestehende Infrastrukturen entlasten. Praxisbeispiele verdeutlichen aktuelle Anwendungen von NASS. Das Projekt BeReit zeigt, dass eine Urinseparation den Belüftungsbedarf und Spurenstoffemissionen von Kläranlagen reduzieren kann.

Folgen und Perspektiven für eine klimaschonende Nutzung kohlenstoffreicher Böden in der Küstenregion Niedersachsens
© Springer Vieweg | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (10/2025)
Der Schutz von Mooren und somit kohlenstoffreicher Böden ist ein zentrales Element erfolgreicher Klimaschutzstrategien. Am Beispiel der Küstenregion Niedersachsens wird deutlich, welche sozioökonomischen Folgen eine Wiedervernässung ohne wirtschaftliche Nutzungsperspektiven nach sich ziehen kann. Eine transformative Moornutzung kann nur gelingen, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse, politische Rahmenbedingungen, soziale Akzeptanz und ökonomische Realitäten ineinandergreifen.