Editorial: Pfusch am Bau
			    Griechische Tempelruinen, Pyramidenstümpfe in Ägypten oder Mexiko und natürlich die unzähligen romantischen Burgruinen Deutschlands machen es deutlich: Schon seit der Mensch beschlossen hat, seine Höhlen zu verlassen und massive Häuser und Wehranlagen zu bauen, nutzte er dafür - soweit möglich - die Arbeit seiner Altvorderen und demontierte nicht mehr gebrauchte Gebäude. Das gilt für alle Kulturen weltweit. Insofern ist das Baustoffrecycling die älteste Form des Recyclings überhaupt.

(12.09.2017) Von der Menge her übertreffen Baustoffe alle anderen Abfallströme: Mehr als die Hälfte aller Abfälle sind Bau- und Abbruchabfälle. Bodenaushub wird zu fast 86 Prozent verwertet, und bei Bauschutt, Straßenaufbruch und Baustellenabfällen sind es gar knapp 95 Prozent, die irgendwie wieder genutzt werden und sei es 'niederwertig' als Verfüllungsmaterial oder im Deponiebau. 
 
So weit so gut. Doch nichts ist so gut, dass es sich nicht noch verbessern ließe. Und das gilt auch für das Baustoffrecycling. So haben Materialforscher nachgewiesen, dass Beton, von dem wir immer mehr benötigen, durchaus einen höheren Anteil an Recyclingmaterial verkraften kann. Und die Materialeigenschaften werden dadurch nicht schlechter sondern besser - ganz anders als bei vielen anderen Bereichen des werkstofflichen Recyclings, wenn man an das leidige Thema Downcycling bei den Verpackungskunststoffen denkt. Ein höherer Ziegelanteil im Recyclingbeton verbessert die Wasseraufnahmekapazität und auch die Fähigkeit, Wärme zu speichern. Doch leider zieht die DIN hier enge Grenzen und limitiert die Verwendung von Recyclingmaterial, obwohl nicht nur die Wissenschaft zu ganz anderen Erkenntnissen gekommen ist. Aber bürokratische Mühlen mahlen langsam. Ganz anders als bei vermeintlichen Innovationen - vor allem wenn Gewichts- und CO2-Ersparnis locken. 
Damit kann man in Deutschland offensichtlich alles erreichen, auch wenn die Vernunft dabei gerne vor der Tür bleibt. Vor einigen Jahrzehnten galt Asbest als die Wunderfaser schlecht hin - was sie, rein technisch gesehen, sicherlich auch war und ist. Dass man sich damit auf Jahrzehnte eine hochgefährliche, weil krebserzeugende Altlast quasi ins Haus geholt hat, ist unstrittig. Und jetzt machen wir den gleichen Fehler nochmals, als hätten wir nichts dazu gelernt. Die Rede ist von Carbonfasern. Sie sind als Hightech-Faser nicht mehr wegzudenken - ultra leicht und doch hoch stabil. Die Recylingbranche ist hier voll gefordert, das Material nach seinem Gebrauch wieder vernünftig zu verwerten - ein Thema, dem wir uns demnächst im ENTSORGA-Magazin widmen werden.
 
In dieser Ausgabe geht es darum, dass man diese Faser auch in Beton einbringt, um Gewicht zu sparen, die Stabilität und die Haltbarkeit zu verbessern. Es bleibt wohl ein Geheimnis, was unseren ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck geritten haben mag, diese Idee auch noch mit dem Zukunftspreis 2016 auszuzeichnen. 'Sparsam, schonend, schön' - so die Attribute für Carbonbeton. Ob das auch Menschen so sehen, die mit Lungenkrebs ihr Leid ertragen müssen? Gerade wenn Carbonfasern zermahlen und zerschliffen werden, können sie in die Lunge geraten und dort eine zu Asbest vergleichbare Wirkung entfalten. Und hat sich jemand darüber Gedanken gemacht, wie ein sinnvolles Baustoffrecycling von Carbon-Beton aussehen soll? Landauf landab wird auf allen wissenschaftlichen Tagungen der Kreislaufgedanke beschworen, der nicht erst am Ende des Lebenszyklus’ berücksichtigt werden sollte, sondern bereits bei der Material- oder Produktentwicklung. Doch das Gegenteil ist der Fall. Und das ist nicht nur bei Carbon so. Nur eines ist sicher: Die Entsorgungswirtschaft darf die Suppe wieder auslöffeln, die ihr weltfremde Entwicklungsingenieure eingebrockt haben. Beispiele hierfür gibt es zuhauf. 
 
Martin Boeckh 
Leitender Redakteur
Foto: B. Weidlich
	     
	    
            
            
            
            
		    
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