Über die Irrelevanzschwelle auf den Verwertungsweg - Anmerkungen zu den Urteilen des BVerwG vom 30.6.2016 zu gewerblichen Sammlungen

Mit zwei Entscheidungen hat sich das Bundesverwaltungsgericht am 30.6.2016 erstmals ausführlich inhaltlich mit den Neuregelungen des KrWG zu gewerblichen Sammlungen befasst, nachdem das Gericht im Vorjahr zunächst nur entschieden hatte, dass auch Personengesellschaften Sammler i.S.v. § 3 Abs. 10 KrWG sein können. Die Neuregelung des bisherigen § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 KrW-/AbfG - nunmehr in den §§ 17 f. KrWG - war der zentrale Streitpunkt der Reform, die sich bis in den Vermittlungsausschuss des Deutschen Bundestags zog. Sie regelt die Ausnahme von der Überlassungspflicht und öffnet hier Teile der Hausmüllentsorgung faktisch dem freien Wettbewerb. Kritiker werfen den gewerblichen Sammlern mit Blick auf die Erlöse aus Wertstoffen seit jeher vor, 'Rosinenpickerei' zu betreiben bzw. einen Beitrag zur Privatisierung von Gewinnen und Sozialisierung von Verlusten zu leisten.

Nicht zulässig sind Entsorgungstätigkeiten, die bereits begrifflich keine gewerblichen Sammlungen sind (§ 3 Abs. 15 und 18 KrWG), bei denen Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der für die Sammlung Verantwortlichen bestehen (§ 18 Abs. 5 S. 2KrWG), es an einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung der Abfälle fehlt oder überwiegende öffentliche Interessen der Sammlung entgegenstehen (§ 17Abs. 2 S. 1 Nr. 4 KrWG). § 17 Abs. 3 S. 1 KrWG bestimmt, dass überwiegende öffentliche Interessen nach Abs. 2 S. 1 Nr. 4 einer gewerblichen Sammlung dann entgegenstehen, wenn sie in ihrer konkreten Ausgestaltung, auch im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen, die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (örE), des von diesem beauftragten Dritten oder des aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 25 KrWG eingerichteten Rücknahmesystems gefährdet. Eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des örE ist insoweit anzunehmen, wenn die Erfüllung seiner Pflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen verhindert oder die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigt wird (§ 17 Abs. 3 S. 2 KrWG). Eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des örE ist dabei 'insbesondere anzunehmen', wenn durch die gewerbliche Sammlung Abfälle erfasst werden, für die der örE oder der von diesem beauftragte Dritte eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführt (§ 17 Abs. 3 S. 3Nr. 1KrWG), die Stabilität der Gebühren gefährdet wird (§ 17Abs. 3 S. 3 Nr. 2 KrWG) oder die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb erheblich erschwert oder unterlaufen wird. Gerade über die Auslegung der umfänglichen Definition der überwiegenden öffentlichen Interessen in § 17 Abs. 3 KrWG ist Streit entbrannt, der nach einer Vielzahl von erst- und zweitinstanzlichen Entscheidungen erstmals dem BVerwG zur Entscheidung vorgelegen hat.



Copyright: © Lexxion Verlagsgesellschaft mbH
Quelle: Heft 01 - 2017 (Januar 2017)
Seiten: 8
Preis: € 32,00
Autor: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht Dr. Frank Wenzel
 
 Diesen Fachartikel kaufen...
(nach Kauf erscheint Ihr Warenkorb oben links)
 Artikel weiterempfehlen
 Artikel nach Login kommentieren


Login

ASK - Unser Kooperationspartner
 
 


Unsere content-Partner
zum aktuellen Verzeichnis



Unsere 3 aktuellsten Fachartikel

Die Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen 'Moorschonende Stauhaltung' und 'Anbau von Paludikulturen' in Mecklenburg-Vorpommern
© Springer Vieweg | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (8/2025)
Die Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen 'Moorschonende Stauhaltung' und 'Anbau von Paludikulturen' in Mecklenburg-Vorpommern Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern strebt bis 2040 Klimaneutralität an. Die Entwässerung der Moore verursacht knapp 30 % der landesweiten Treibhausgasemissionen - hier ist dringender Handlungsbedarf. Seit 2023 fördern AUKM-Programme die Anhebung von Wasserständen in landwirtschaftlich genutzten Mooren. Es zeigen sich viele Fortschritte, die aber weiterhin auf Genehmigungs-, Finanzierungs- und Koordinationshürden stoßen.

Paludikultur als Chance für Landwirtschaft, Bioökonomie und Klima
© Springer Vieweg | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (8/2025)
Wirtschaftliche Perspektiven sind notwendig, um die Landwirtschaft für die Umstellung von entwässerter Moorboden-Bewirtschaftung auf nasse Moornutzung zu gewinnen. Paludikultur-Rohstoffe bieten großes Potenzial für Klima und Bioökonomie. Erste marktfähige Anwendungen zeigen, dass sich etwas bewegt.

Die Revitalisierung von Mooren erfordert ein angepasstes Nährstoffmanagement
© Springer Vieweg | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (8/2025)
Globale Herausforderungen wie der fortschreitende Verlust der biologischen Vielfalt, die Eutrophierung von Gewässern und die zunehmenden Treibhausgasemissionen erfordern die Wiederherstellung der natürlichen Funktionen von Mooren. Bis jedoch langjährig entwässerte und intensiv genutzte Moore wieder einen naturnahen Zustand erreichen und ihre landschaftsökologischen Funktionen vollständig erfüllen, können Jahrzehnte vergehen. Ein wesentlicher Grund dafür sind die hohen Nährstoffüberschüsse im vererdeten Oberboden.