Das Unsichtbare sichtbar machen - Zustandsbewertung von Spannbetonleitungen

Erdverlegte Spannbetonrohre sind die am schwersten zu inspizierenden und zu bewertenden Transportleitungen. Die heterogenen Materialien des Rohrleitungsaufbaus zwingen zum Einsatz visueller, akustischer und elektromagnetischer Methoden bei der Begutachtung und Bewertung von Trinkwasserleitungen.

Beton hält ewig - fast. Als ab Mitte der 1930er-Jahre Wasserrohre aus Spannbetonverlegt wurden, war die Technik ziemlich neu. Dass der Werkstoff noch nicht ausgereift war, zeigte sich vor allem überirdisch: So stürzte die 1957 erbaute Kongresshalle in Berlin, die "Schwangere Auster", im Jahr 1980 spektakulär ein: Spannungsrisskorrosion führte zum Abbruch des südlichen Außendachs und des Randbogens. Ursache war die ungenügende Verpressung der Hüllrohre der Spannglieder und die dadurch ausgelöste Korrosion des Spannstahls. In der Folge wurden weltweit Brücken und Gebäude geprüft und repariert. Derartige Fabrikationsfehler kommen bei den hochfesten Spannbetonrohren eher selten vor, doch auch unter der Erde nagt der Zahn der Zeit. Solange Probleme aber nicht offensichtlich werden, mag der Verzicht auf regelmäßige Prüfungen in Zeiten knapper Kassen sogar nachvollziehbar sein - doch es ist ein gefährliches Abwarten: Die in Europa zwischen den 1930er- und den 1980er-Jahren verlegten Spannbetonrohre der Haupt- und Transportleitungen der Trinkwassernetze erreichen sehr bald ein kritisches Betriebsalter.

Doch wie ist mit den 30 bis 80 Jahre alten Spannbetonrohren umzugehen? Alle Wasserversorger teilen das Problem: Sie müssen ihre Anlagen dauerhaft funktionsfähiger halten und sollen gleichzeitig sparen. Die sogenannte reaktive Instandhaltung, also kleinere Wasserverluste hinzunehmen und zu warten, bis - in Analogie zur Berliner Kongresshalle - spektakulär das Hauptrohr zur Versorgung der Hauptstadt platzt, kann keine Entscheidung sein. Ökonomisch und ökologisch ebenso unklug wäre es, prophylaktisch sämtliche Rohre auszugraben und durch neue Stahlrohre zu ersetzen. Im Allgemeinen lassen sich durch regelmäßige Inspektionen und frühzeitige Reparaturen umfassendere Schäden vermeiden. Dieser Ansatz ist damit langfristig die günstigste Lösung. Und bei allen Inspektionen ist die zerstörungsfreie Werkstoffprüfung (ZfP) - soweit möglich - die Methode der Wahl: Sie ist ökologisch am verträglichsten und ökonomisch am günstigsten.



Copyright: © wvgw Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH
Quelle: Heft 02 - 2014 (Februar 2014)
Seiten: 6
Preis: € 6,00
Autor: Dipl.-Ing. (FH) Tim Krüger
 
 Diesen Fachartikel kaufen...
(nach Kauf erscheint Ihr Warenkorb oben links)
 Artikel weiterempfehlen
 Artikel nach Login kommentieren


Login

ASK - Unser Kooperationspartner
 
 


Unsere content-Partner
zum aktuellen Verzeichnis



Unsere 3 aktuellsten Fachartikel

carboliq® - Direktverölung gemischter Kunststoffabfälle
© Witzenhausen-Institut für Abfall, Umwelt und Energie GmbH (4/2025)
Die Forderung nach Klimaneutralität dominiert die globale Diskussion über die Zukunft der Industriegesellschaft. Damit einher geht auch die Frage, wie der Umgang mit Kunststoffen in Zukunft erfolgen wird.

Nutzungskonflikt zwischen Carbon-Capture-Anlagen und Fernwärme?
© Witzenhausen-Institut für Abfall, Umwelt und Energie GmbH (4/2025)
Die EEW Energy from Waste GmbH (EEW) hat sich das Ziel gesetzt, bis 2045 klimaneutral zu werden. Mit 17 Standorten verfügt EEW über eine Verbrennungskapazität von ca. 5 Millionen Tonnen Abfall pro Jahr.

Abfall- und Kreislaufwirtschaft in Deutschland im internationalen Vergleich - Spitzenplatz oder nur noch Mittelmaß?
© Witzenhausen-Institut für Abfall, Umwelt und Energie GmbH (4/2025)
Neben der Umstellung der künftigen Energieversorgung auf ein zu 100 % erneuerbares Energiesystem ist die Abfall- und Kreislaufwirtschaft die zweite zentrale Säule im Rahmen der globalen Transformation in eine klimaneutrale Wirtschaft und Gesellschaft.