Liebe Leserin, lieber Leser

Was ist nachhaltige Entwicklung? Wie kann Nachhaltigkeit im globalen, regionalen und unternehmerischen Kontext in die Praxis umgesetzt, gemessen und bewertet werden? Diesen Fragen sind in diesem Heft mehrere Beiträge gewidmet. Das politische Leitbild der Nachhaltigkeit umfasst drei Säulen - Ökologie, Ökonomie und soziale Gerechtigkeit. Für die ökologische und die ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit liegenerprobte Bewertungsinstrumente vor: die Ökobilanzierung und die Kosten- und Leistungsrechnung. Im Unterschied dazu fehlen für die soziale Nachhaltigkeitsdimension bislang operativ anwendbare Indikatoren mit unmittelbarem Bezug auf Produkte oder Prozesse, wie Professor Matthias Finkbeiner darlegt. Als wesentliche Problemfelder benennt er die Auswahl und Quantifizierung der Bewertungskriterien, die Frage der Gewichtung der Nachhaltigkeitsdimensionen sowie die Darstellung des Ergebnisses.

Die Anforderungen zur Entsorgungssicherheit aus dem Aktionsprogramm für eine nachhaltige Entwicklung - Agenda 21 - sind in Deutschland weitgehend umgesetzt. Doch die funktionierenden Abfallentsorgungsstrukturen können das Grundproblem der auf ständiges Wachstum ausgerichteten Wirtschafts- und Lebensweise mit großen Verbräuchen an Rohstoffen und Energie nicht entschärfen, wie Dr. Norbert Kopytziok aufzeigt. Die der Abfallwirtschaft vorgelagerten Wertschöpfungsketten sind in die Bewertung einzubeziehen. Dies wird am Beispiel der biogenen Abfälle und der Papier/Pappe-Abfälle verdeutlicht, auf die infolge ihrer Mengenrelevanz sowie der hohen Umweltbelastungen bei der Herstellung von Nahrungsmitteln und Papierprodukten der überwiegende Teil aller mit dem Siedlungsabfall verbundenen Umweltbelastungen entfällt.

Als Möglichkeit zur Erschließung neuer Rohstoffpotentiale aus Abfallströmen stellt Professor Daniel Goldmann die Entwicklung vernetzter Verwertungsstrukturen und mehrstufiger Aufbereitungsprozesse vor. Wenn an verschiedenen Stellen dieses Verwertungs-Netzwerks unterschiedliche Stoffströme eingeschleust oder entnommen werden können, ist ein wirtschaftlich optimierter Transfer von Abfällen als Rohstoffquellen hin zu Sekundärrohstoffen möglich. Neben den Abfallströmen aus dem Post-Production-, Post-Industrial und Post-Consumer-Bereich rücken auch Deponien und Halden als anthropogene Rohstofflager ins Blickfeld.

Ein Bericht zur Umsetzung des Nachhaltigkeitsziels auf kommunaler Ebene kommt aus Österreich. Isabella Kossina stellt die Waste-to-Energy-Anlagen in Wien vor, in denen die Entsorgung von Siedlungsabfällen, Klärschlamm und gefährlichen Abfällen mit der Energieversorgung - insbesondere über das Fernwärmenetz - kombiniert wird. Die Emissionsminderungen an fossilem Kohlendioxid zeigen den Beitrag der Wiener Stadtwerke zum Klimaschutz in Österreich auf.

Vor dem Hintergrund der Entwicklung der Emissionsgrenzwerte in der Abfall- und Energiewirtschaft in Deutschland und auf EU-Ebene gibt Ministerialdirektor Lahl einen Ausblick auf aktuelle Überlegungen: Derzeit wird geprüft, ob die ergänzende Festlegung von Kontrollwerten unterhalb der rechtsverbindlichen Grenzwerte bundeseinheitlich geregelt werden sollte.

Weitere Themen dieses Hefts sind das Recycling von Carbonfaserabfällen zu hochwertigen Produkten, die Potentiale und Herausforderungen bei der Nutzung von Radio Frequency Identification (RFID) in der Entsorgungswirtschaft, der Einfluss des demografischen Wandels auf die Entwicklung von Wohngebäudebestand und Bauschuttaufkommen, der Brandschutz bei der Lagerung von Abfällen sowie die neue Deponieverordnung zur Vereinfachung des Deponierechts. Unter der Rubrik International werden die Abfallgebühren in Tschechien und Deutschland beleuchtet. Zudem finden Sie in diesem Heft einen philosophischen Beitrag über den Mythos Abfallvermeidung.
Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen Ihre Stephanie Thiel



Copyright: © Rhombos-Verlag
Quelle: Nachhaltigkeit (Mai 2009)
Seiten: 1
Preis: € 0,00
Autor: Dr.-Ing. Stephanie Thiel
 
 Artikel nach Login kostenfrei anzeigen
 Artikel weiterempfehlen
 Artikel nach Login kommentieren


Login

ASK - Unser Kooperationspartner
 
 


Unsere content-Partner
zum aktuellen Verzeichnis



Unsere 3 aktuellsten Fachartikel

Folgen und Perspektiven für eine klimaschonende Nutzung kohlenstoffreicher Böden in der Küstenregion Niedersachsens
© Springer Vieweg | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (10/2025)
Der Schutz von Mooren und somit kohlenstoffreicher Böden ist ein zentrales Element erfolgreicher Klimaschutzstrategien. Am Beispiel der Küstenregion Niedersachsens wird deutlich, welche sozioökonomischen Folgen eine Wiedervernässung ohne wirtschaftliche Nutzungsperspektiven nach sich ziehen kann. Eine transformative Moornutzung kann nur gelingen, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse, politische Rahmenbedingungen, soziale Akzeptanz und ökonomische Realitäten ineinandergreifen.

Zur Berücksichtigung globaler Klimafolgen bei der Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen
© Lexxion Verlagsgesellschaft mbH (9/2025)
Der Text untersucht, wie Klimafolgenprüfungen bei Deponien und Abfallanlagen rechtlich einzuordnen sind. Während das UVPG großräumige Klimaauswirkungen fordert, lehnt das BVerwG deren Prüfung im Immissionsschutzrecht ab. Daraus ergeben sich offene Fragen zur Zulassung und planerischen Abwägung von Deponien.

In-situ-Erhebung der Schädigung von Fischen beim Durchgang großer Kaplan-Turbinen
© Springer Vieweg | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (9/2025)
Schädigungen der heimischen Fischarten Aitel, Nase und Äsche bei der Turbinenpassage wurde mittels HI-Z-Tags an zwei mittelgroßen Laufkraftwerken untersucht. Bei juvenilen Fischen wurden Überlebensraten (48 h) zwischen 87 % und 94 % gefunden, bei den adulten Fischen zwischen 75 % und 90 %. Die geringeren Schädigungen am Murkraftwerk im Vergleich zum Draukraftwerk können plausibel durch eine geringere Zahl an Turbinenflügeln (vier statt fünf), eine geringere Fallhöhe und eine etwas langsamer laufende Turbine erklärt werden.