Ein holistischer Modellansatz für ein multifunktionales Starkregenrisiko-Informationssystem

Die jüngsten Unwetterereignisse im Mai und Juni 2018 haben uns erneut vor Augen geführt: Starkregeninduzierte Überflutungen können überall, plötzlich und zum Teil sehr lokal mit variablen Ausprägungen und Schadensfolgen auftreten. Bislang fehlt es jedoch an effektiven Instrumenten zur ganzheitlichen Erfassung und Bewertung des Starkregenrisikos in Deutschland. Dieser Beitrag präsentiert einen Ansatz für ein gekoppeltes Modellsystem, welches sowohl für die systematische Dokumentation und Risikoanalyse als auch für ein hydrodynamisches, risikobasiertes Frühwarnsystem eingesetzt werden kann.

Im Frühsommer 2018 haben heftige Starkniederschlagsereignisse erneut zu schwerwiegenden Überflutungen in vielen Kommunen Deutschlands geführt und erhebliche Sachschäden verursacht. So führte das Unwetterereignis am 29.05.2018 in vielen Städten in NRW zu starken urbanen Überflutungen - darunter auch in der Stadt Aachen, in welcher innerhalb kürzester Zeit über 400 Notrufe bei der Feuerwehr eingingen [1]. In Wuppertal rechnet man mit Schäden im dreistelligen Millionenbereich [2]. Zwei Jahre zuvor forderten Extremniederschläge in Süd- und Mitteldeutschland sogar Menschenleben [3]. Nach Beschluss der 86. Umweltministerkonferenz (UMK) stellen starkregenbedingte Überflutungen somit eine 'außerordentliche Gefahr für Leib und Leben' dar und können 'zu enormen Sachschäden' führen [4]. Die Zahlen aus der Versicherungswirtschaft belegen eine deutliche Häufung schadensträchtiger Hochwasserereignisse infolge extremer Starkniederschläge in den letzten zwei Jahrzehnten. Die Schadenssumme beläuft sich für 2016 auf rund 940 Mio. € und ist damit fast zehnmal so hoch wie 2015 [5]. Starkregeninduzierte Hochwasser machen damit mittlerweile mehr als 50 % der gesamten Hochwasserschäden aus [3]. Obwohl aktuell bereits erste Strategien zur Klimafolgenanpassung und innovative Konzepte für wassersensible Stadtentwicklungen diskutiert werden, mangelt es bislang jedoch an effektiven Werkzeugen zur fundierten Bewertung der allseits bestehenden Risiken durch Starkniederschläge. Nach Feststellung der jüngsten Umweltministerkonferenz existiert aktuell kein fachübergreifendes Verfahren zur systematischen Dokumentation von Starkregenereignissen [6]. Darüber hinaus fehlt es flächendeckend an einheitlichen Starkregengefahren und -risikokarten in Deutschland. Aktuelle Praxisleitfäden und Merkblätter zeigen zwar zahlreiche Methoden und Herangehensweisen zur Gefährdungs- und Risikoanalyse, jedoch existieren bislang keine Standards sowohl hinsichtlich einer systematischen Verfahrens- als auch Datengrundlage. Die DWA fordert systematische und vergleichbare Risikoanalysen von starkregenbedingten Überflutungen [7]. Ferner weisen die aktuell bestehenden Frühwarnsysteme erhebliche Schwächen auf. Warnungen vor extremen Starkniederschlagsereignissen erfolgen bislang fast ausschließlich auf Grundlage von Niederschlagsintensitäten, wodurch die hydrologische Gefahr ebenso wenig berücksichtigt wird wie die Verletzlichkeit der urbanen Infrastruktur. Es fehlt somit an einem effektiven Frühwarnsystem, welches im Falle eines vorhergesagten Starkregenereignisses schnelle Aussagen über das Ausmaß der resultierenden Überflutungen im urbanen Raum sowie erste Abschätzungen zur Schadenslage liefert. In diesem Beitrag wird ein Ansatz für ein multifunktionales Starkregenrisiko-Informationssystem aufgezeigt, welches die kombinierte Ausführung von Dokumentation, Risikoanalyse und Frühwarnsystem in einem einzigen gekoppelten Modellsystem ermöglicht. Durch diesen holistischen Modellansatz zur systematischen und vollintegrierten Analyse von vergangenen, potenziellen und vorhergesagten Starkniederschlagsereignissen und deren Auswirkungen wird die effiziente und flächendeckende Risikovorsorge in den Kommunen möglich. Anhand eines Fallbeispiels der Stadt Aachen und dem Starkregenereignis vom 29.05.2018 werden die Vorgehensweise sowie Möglichkeiten und Grenzen des entwickelten Instruments vorgestellt.



Copyright: © Springer Vieweg | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
Quelle: Wasserwirtschaft - Heft 04 - 2019 (April 2019)
Seiten: 7
Preis: € 10,90
Autor: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Holger Schüttrumpf
M.Sc. Julian Hofmann
 
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