Editorial: Alte und neue Lasten

Angesichts der politischen Lage auf unseren Straßen gibt es derzeit wenig Positives zu vermelden. Dabei befindet sich der Ölpreis doch in stetem Sinkflug und lässt uns an der Tankstelle jedes Mal frohlocken. Ist das keine 'Frohe Botschaft'? Mitnichten.

Foto: privat(04.02.2015) Etwas Schlechteres kann uns eigentlich gar nicht passieren. Das sagen keine Naturpessimisten sondern Vorstandsmitglieder in den Chefetagen der chemischen Industrie. Je geringer die Motivation, auf Erdöl als Energieträger zu verzichten, desto schlimmer, denn es fehlen urplötzlich die Investitionsbereitschaft und die Kreativität, der wissenschaftliche Esprit, der in den letzten Jahren in der Energie- und in der Ressourcenwirtschaft für die enormen Erfolge verantwortlich war. Wir müssen langfristig weg von den fossilen Energieträgern, doch in den USA boomt das Erdgas-Fracking und hierzulande eiern die Politiker herum, als hätten sie aus der Vergangenheit nichts gelernt. Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller hat den Gesetzesentwurf des Bundesumweltministeriums zu Fracking in Deutschland in einer ersten Stellungnahme als reine Symbolgesetzgebung bezeichnet. Die Pläne wirkten wie ein unsicherer Balanceakt auf dem Hochseil, sehr bemüht, keinen falschen Schritt zu machen, sagte Untersteller. 'Ein wirkliches Verbot von Fracking zur Aufsuchung und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen aus unkonventionellen Lagerstätten unter Einsatz umwelttoxischer Substanzen hätte im Bundesbergrecht verankert werden müssen.' Da wurde es Zeit, dass seitens der Wissenschaft endlich mal Klartext gesprochen wurde. 'Deklaration ohne Wenn und Aber' überschrieb die Gesellschaft Deutscher Chemiker GDCh die Forderung, endlich alle Fracking-Chemikalien offen zu legen. 'Es ist zu begrüßen', so GDCh-Präsident Dr. Thomas Geelhaar, 'dass der Gesetzentwurf vorsieht, die chemische Identität aller Fracking-Additive ohne Wenn und Aber offenzulegen. Das ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber Regelungen in den USA, denen zufolge die Identität von Chemikalien nicht deklariert werden muss, wenn sie weniger als 0,1 Prozent der Additiv-Gesamtmenge ausmachen oder wenn sie vertraulich sind. Eine ausnahmslose Offenlegung der chemischen Identität ist unabdingbare Grundlage für weitergehende und notwendige Forschung zur Gefährdungsbeurteilung und muss deshalb integraler Bestandteil des Gesetzesentwurfs sein.' Das ist eigentlich das Mindeste. Noch konsequenter wäre es, das Fracking 'Ohne Wenn und Aber' ganz zu verbieten, denn das Einbringen von Chemikalien in den Untergrund - bekannt oder nicht - ist nichts anderes als die Schaffung von Altlasten, die wir eines Tages bitter bezahlen müssen. Es gibt beim Umgang mit den Fracking-Abwässern und ihren Schwermetallen, Salzen, Radionukliden und gefährlichen organischen Schadstoffen nur ungelöste Probleme. Sagen die, die es eigentlich wissen müssen. Es wird Zeit, ihnen endlich Glauben zu schenken und nicht den Verlockungen des Geldes gänzlich zu erliegen. Anders als unsere Altvorderen, die uns jede Menge Altlasten beschert haben. Eine solche beschreiben wir in unserer Titelgeschichte sehr ausführlich. In einem Feature wollen wir uns einmal denen widmen, die die Drecksarbeit machen müssen, die unter Einsatz ihres Lebens daran arbeiten, dass wir eines Tages ein 'Industriedenkmal', wie es schönfärbend gerne bezeichnet wird, gefahrlos besichtigen können - frei von hochtoxischem Gichtstaub, von Asbestfasern, Künstlichen Mineralfasern und PCB. Eine spannende Lektüre wünscht Ihnen die ENTSORGA-Redaktion, die sich mit Dr. Georg Haiber seit Jahresbeginn personell verstärkt hat.
 
Martin Boeckh
Leitender Redakteur
Foto: privat



Copyright: © Deutscher Fachverlag (DFV)
Quelle: Nr. 01/02 - Februar 2015 (Februar 2015)
Seiten: 1
Preis: € 0,00
Autor: Martin Boeckh
 
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